Zeitreise-Bericht der Klasse 10b des Herder-Gymnasiums in Merseburg (Workshop 14.-15. März 2023)
Wir schreiben das Jahr 2045
Liebes Tagebuch,
ich habe mich ewig nicht mehr gemeldet, und es ist so viel passiert. Unsere Welt hat sich sehr verändert. Ich bin arm. Und obdachlos.
Es gibt mittlerweile so viele arme Menschen. In unserer Welt wirst du entweder reich oder arm geboren. In unserer Stadt leben einfach zu viele Menschen und so viele davon sind arm. Dadurch fangen viele an zu stehlen.
Die Kriminalität steigt sehr an. Unsere Welt ist für einen Armen grausam. Wenn du arm bist, hast du Pech. Du wirst vom sozialen Leben einfach ausgeschlossen. Viele gehen pleite durch Glücksspiel. Die VR-Brillen waren für Manche der Untergang.
Es gibt eine unfassbar instabile Politik, aber auch ein hohes Vertrauen. Die Politiker sind ehrlich zu uns und wir leben in einer sinnvollen Demokratie. Wir haben eine hohe Wahlbeteiligung. Es gibt viele Gründe, warum wir unserer Politik vertrauen. Selbst wenn die Schere zwischen Arm und Reich so weit auseinander ist. Aber das erzähle ich dir beim nächsten Mal. Ich muss los.
xox
Eine Szene, die sich im Jahre 2045 zugetragen hat…
1. Akt: Wohnzimmer
Anne und Enno sitzen auf der Couch und schauen Fernsehen. Da kommt Ennos Oma Ute mit Krückstock ins Wohnzimmer gehumpelt.
Ute: Hallo, ihr lieben!
Enno (steht auf und umarmt sie): Oma Ute, schön, dass du da bist! Wie geht es dir denn? Setz dich!
Oma Ute setzt sich umständlich auch auf das Sofa.
Ute (grinst schief): Muss ja.
Anne (freundlich): Tee?
Ute: Wie spät ist es eigentlich?
Enno: Kurz vor Mittag, die Nachrichten kommen gleich.
Im Fernsehen ist eine Reporterin zu sehen, die auf einer Straße steht.
Barbara Blinke (spricht in ein Mikro): Herzlich willkommen zu den News des Tages. Heute ist der 4. März 2045 und ich heiße Barbara Blinke. Ich befinde mich heute live in Merseburg und was hier abgeht, ist katastrophal.
Barbara Blinke deutet mit dem Arm hinter sich, wo einige Leute auf der Straße liegen.
Barbara Blinke: Es gibt hier immer mehr Obdachlose. Diese Obdachlosen fangen an, ihre Nachbarn, ihre Freunde und sogar ihre Familien zu bestehlen. Es kann jeden treffen!
Anne (schlägt die Hände vor den Mund): Oh nein, wie schrecklich!
Barbara Blinke: Doch wie konnte es dazu kommen? Wir haben doch in Deutschland ein generell großes Vertrauen in die Politik. Die Wahlbeteiligung ist groß und die Politiker*innen gelten als ehrlich. Warum also tut die Politik nichts gegen das Problem der großen Armut und der Sicherheit in den Städten?
Anne: Ja, warum nicht? Diese Armen werden immer gefährlicher!
Barbara Blinke: Und jetzt zurück ins Studio und zum Wetter.
Enno macht den Fernseher aus. Ute schaut Enno an und merkt, dass dieser eine teure Goldkette trägt.
Ute (verwundert): Enno, woher hast du eigentlich das Bling Bling?
Enno (wird nervös): Das habe ich mir neulich gekauft. Wieso, ist doch schick!
Ute: Ja, aber wovon hast du das denn gekauft? Unsere Familie hat doch nicht so viel Geld.
Anne richtet sich mit weit aufgerissenen Augen auf und wird panisch.
Anne (laut): Was soll das heißen, ihr habt nicht viel Geld? Seid ihr etwa arm?
Enno (beschwichtigend): Anne, so ist das nicht. Wir haben genug. Wir arbeiten ja alle. Aber natürlich sind wir nicht gerade reich.
Anne (zeigt anklagend mit dem Zeigefinger auf Enno): Heißt das, du bist arm? Fängst du auch bald an, mich zu bestehlen? Wie die im Fernsehen?
Enno (bittend): Anne, hör doch zu, das ist doch Quatsch. Ich liebe dich doch!
Anne (kalt): Wenn du arm bist, weiß ich nicht, wie das mit uns gehen soll.
Anne steht auf und geht zur Tür.
Enno (flehend): Bitte verlass mich nicht! Anne! Was machst du denn?
Anne geht aus der Tür und schlägt sie zu. Enno sitzt verzweifelt auf dem Sofa, Oma Ute versucht ihn zu trösten.
2. Akt: Auf dem Marktplatz
Enno sitzt auf einer Bank und schreibt in ein Notizbuch. Er sieht traurig aus. Er trägt keine Goldkette mehr.
Enno (liest beim Schreiben laut mit): Liebes Tagebuch, es ist jetzt ein Monat her, dass Anne mich verlassen hat. Meine Oma und ich sind jetzt obdachlos. Durch den Liebeskummer konnte ich nicht arbeiten gehen und habe meinen Job verloren. Jetzt habe ich kein Geld mehr.
Oma Ute kommt auf Enno zu.
Ute (aufmunternd): Ach, mein Enno. Das tut mir so leid mit der Anne.
Enno schnieft laut und steckt das Tagebuch ein.
Ute: Lass uns erstmal ein Eis essen. Eis hilft bei Liebeskummer.
Enno (leise): Na gut.
Ute: Auf was hast du Lust?
Enno: Vanille.
Ute: Sehr gut.
Ute geht zur Eisverkäuferin.
Ute: Wir hätten gern einmal Haselnuss und einmal Vanille.
Eisverkäuferin: Na klar, bitte schön. (gibt Ute zwei Eiswaffeln)
Ute (gibt Enno ein Eis): Also, mach dir keinen Kopf. Das wird schon wieder.
Enno (traurig): Aber ich vermisse sie so!
Ute: Die hat dich gar nicht verdient, wenn ihr Geld so wichtig ist!
Enno: Aber jetzt sind wir auch noch obdachlos!
Ute: Wir finden schon noch eine Bleibe, das schaffen wir schon. Jetzt erstmal guten Appetit!
Die beiden schlecken ihr Eis und hoffen auf eine bessere Zukunft.
3. Akt: Im Zentrum
Einige Zeit später. Enno und Ute sehen etwas heruntergekommen aus. Ute kommt zu Enno, der auf der Straße sitzt.
Ute: Hör mal, ich habe einen super Plan. Kennst du den Recycle-Laden um die Ecke?
Enno (ratlos): Ja?
Ute: Wir sammeln einfach allen Müll hier ein und bringen den dahin. Das ist umweltfreundlich und…
Enno (begeistert): Und wir bekommen Kohle!
Die beiden gehen auf der Straße umher und sammeln Müll auf. Da kommen auf einmal zwei maskierte Männer mit einem Messer auf sie zu.
Räuber 1: Gebt uns euer Geld, los!
Ute (empört): Sagt mal, habt ihr gar keinen Respekt mehr?
Räuber 2 (nervös): Jetzt gebt uns das Geld, macht keinen Ärger!
Da zieht Ute aus ihrem Krückstock eine Pistole heraus und richtet sie auf die Räuber.
Ute: Hände hoch oder ich schieße.
Räuber 1 (beschwichtigend): Hey hey, ist doch okay, beruhigen Sie sich.
Räuber 2 (panisch): Machen Sie keine Dummheiten. Wir verschwinden schon!
Die Räuber laufen davon. Ute steckt die Pistole wieder ein.
Enno (beeindruckt): Mensch Oma, du gehst ja ab. Voll gefährlich!
Ute (sachlich): Wir müssen die Polizei rufen, schnell!
Enno (resigniert): Ach, wozu denn? Was sollen die denn machen? Es gibt viel zu viele Arme, die sich gegenseitig überfallen. Da kann man nichts machen.
Ute (traurig): Ach Enno, was soll nur aus uns werden?
Enno: Zusammen stehen wir das durch, Oma.
Die beiden umarmen sich und versuchen, trotz ihrer trüben Aussichten optimistisch zu bleiben. Nicht einfach in dieser Welt.