Licht und Schatten der Automatisierung

Zeitreise-Berichte der Klasse 8b der Sekundarschule „Wladimir Komarow“ in Stendal (Workshop vom 27. bis 28. April 2023)


Ich bin immer noch fasziniert von den Möglichkeiten, die uns die neuen Technologien bieten. In der Gesundheitsbranche hat die Genom-Editierung endlich ihren Durchbruch erreicht. Krankheiten können jetzt gezielt bekämpft werden, indem die DNA verändert wird. Es gibt eine Debatte darüber, wie weit man bei der Genom-Editierung gehen sollte, aber insgesamt wird sie als positiver Fortschritt betrachtet.

Haushaltsroboter sind jetzt auch weit verbreitet und fast jeder hat einen. Sie kümmern sich um das Putzen, Kochen und die allgemeine Instandhaltung des Hauses. Sie sind mit KI-Technologie ausgestattet und lernen ständig dazu, um die Bedürfnisse ihrer Besitzer besser zu verstehen. Auch in vielen anderen Bereichen ersetzen sie den Menschen. Insbesondere Menschen mit niedriger Qualifikation sind immer häufiger von Arbeitslosigkeit und Obdachlosigkeit bedroht, da die Sozialsysteme aufgrund des demographischen Wandels kollabierten. Sie sind darauf angewiesen, dass die wohlhabenden Menschen Mitleid zeigen und sich solidarisch verhalten.

Die Straßen sind nun vollständig automatisiert und es gibt keine manuell betriebenen Fahrzeuge mehr. Die Mobilität wird von selbstfahrenden Fahrzeugen und fliegenden Drohnen übernommen. Es gibt nur noch wenige Parkplätze und die Städte sind viel grüner geworden, da Parkplätze und Straßen Platz für Indoor-Gärten und öffentliche Grünflächen gemacht haben. VR-Brillen lassen Filme noch echter erscheinen und die Menschen nutzen sie oft auch im öffentlichen Raum, sodass es immer weniger Kontakte und Begegnungen gibt. Die höhere Ausbildung – Abitur, Ausbildung oder Studium wird häufig digital absolviert, was von Bildungsexperten jedoch angesichts des sinkenden Niveaus scharf kritisiert wird. Wer eine Präsenzausbildung vorweisen kann, hat daher oft bessere Karrierechancen.

Die Politik hat sich auch verändert. Die Kriege der Vergangenheit haben dazu geführt, dass die Länder friedlicher und kooperativer miteinander umgehen. Eine fortschreitende Globalisierung und Vernetzung lässt die nationalen Grenzen noch stärker verblassen und Krieg als selbstschädigend und rückschrittlich betrachtet.

In der Politik zeigt sich jedoch auch eine dunkle Seite der Technologie. Verschwörungserzählungen sind immer noch ein Problem und es gibt Menschen, die sich weigern, die Vorteile der Technologie zu akzeptieren und lieber an veralteten Vorstellungen festhalten. Eine Gruppe von Verschwörungstheoretikern hat sich sogar zu einer politischen Bewegung zusammengeschlossen und nennt sich „Die Wahrheit“. Sie haben versucht, die Regierung zu untergraben, indem sie falsche Informationen verbreiten und die Menschen dazu auffordern, sich gegen die Technologie zu wehren. Doch von den allermeisten werden sie schlicht belächelt.


Eine Szene, die sich im Jahre 2045 zugetragen hat…

1. Akt: Auf der Straße

 Handelnde Personen:  

  • Tarek – Freundin aus  
    dem Villenviertel  
  • Hanna – Freundin aus  
    dem Villenviertel  
  • Michael – Bettler aus  
    dem Armenviertel  
  • Klara – Bettlerin aus  
    dem Armenviertel  

Tarek und Hanna gehen spazieren. Sie gehören zu den Gewinner der neuen Gesellschaft, und das sieht man ihnen auch an. In teuren Klamotten und behängt mit Goldketten gehen sie flanieren. Bis sie auf eine Gruppe der Menschen stoßen, die betteln.

Hanna (im Gespräch vertieft): Ja, und da hab ich zu ihm gesagt…

Timo: Hallo, haben Sie vielleicht etwas Geld für uns?

Tarek (wendet sich ab): Nein, ganz bestimmt nicht. Komm Hanna, geh weiter.

Michael (hält die Hände zu einem Flehen zusammen): Bitte, wir wollen heute noch etwas essen, uns ist kalt!

Tarek: Na, dann hättet ihr mal arbeiten gehen sollen! Komm Hanna, es reicht jetzt!

Klara: Was können wir denn dafür, wenn wir alle ersetzt wurden?

Tarek: Ach, immer dieselbe Ausrede. Geh mal was leisten!

Tarek zieht Hanna weiter, doch sie schaut nachdenklich drein. Ein paar Straßen weiter ist Tarek genervt.

Tarek: Hanna, was ist denn jetzt? Ist es etwa wegen diesen Bettlern?

Hanna: Ja, irgendwie ist das doch nicht fair.

Tarek: Was heißt hier fair? Entweder man arbeitet und hat Geld, oder man versteckt sich weiter hinter der alten Leier: Die Roboter haben uns ersetzt. Bla bla bla.

Hanna: Ja, aber das ist doch auch so! Die meisten der eher schlichten Jobs wurden durch diese Maschinen ausgetauscht.

Tarek: Aber dadurch sind doch auch neue Jobs entstanden. Irgendwer muss die Dinger ja ständig reparieren.

Hanna: Naja, das ist ja schwer zu lernen. Ich weiß ja selber nicht, wie die Dinger funktionieren. Diese ganzen kleinen Kabel und Schalter. Wenn du dein ganzes Leben im Supermarkt gearbeitet hast, weißt du ja nicht auf einmal, wie man Roboter repariert.

Tarek: Ja, dann sollen die das halt lernen. Oder gleich an die Uni gehen und Informatiker werden.

Hanna: Oh man Tarek, wer bezahlt das denn? In der Zeit, in der du dich ausbilden lässt, kannst du ja nicht arbeiten gehen. Und die meisten Unis sind ja mittlerweile privat, wer zahlt dann die Studiengebühren? Seit die Sozialsystem durch die Alterung der Bevölkerung zusammengebrochen sind, gibt es doch kein soziales Netz mehr.

Tarek: Dann sollten sie sich halt ein Stipendium besorgen. Die gibt es ja nicht ohne Grund.

Hanna: Ach, du bist ja witzig. Sie sollten also alles aufs Spiel setzen und doppelt so viel leisten, um vielleicht, auch nur ganz vielleicht, zu den Wenigen zu gehören, die ein Stipendium bekommen, nur weil sie keine reichen Eltern haben wie du?

Tarek: Hm, da hast du recht. Vielleicht ist das doch nicht so fair.

Hanna: Komm, lass uns zurückgehen und sie auf ein Essen einladen. Vielleicht können sie uns ja mehr von sich erzählen.

Tarek: Von mir aus.

Die beiden kehren um und sprechen Michael und Klara an.


2. Akt: Auf der Straße

 Handelnde Personen:  

  • Lena – Freundin  
  • Matthias – Freund  
  • Delicia – Freundin  
  • Nasrallah – Passant  

Matthias, Delicia und Lena landen mit einer Zeitreisemaschine im Jahr 2045. Erstaunt reiben sie sich die Augen.

Lena: Krass, Leute, guckt euch das an!

Matthias: Es hat geklappt!

Delicia: Was, es gibt fliegende Autos?

Lena: Wo?

Delicia: Natürlich über dir!

Lena: Ach so, ich habe nur den Park vor uns gesehen. Man hört die ja überhaupt nicht.

Matthias: Seid mal nicht so auffällig und nehmt die Finger runter. Da kommt jemand.

Delicia: Warum, ist doch nicht schlimm. Wir fallen doch sowieso total auf. Dann können wir auch gleich fragen, warum alles so anders aussieht.

Nasrallah, ein Durchschnittsbürger der Zukunft, läuft an ihnen vorbei. Delicia stellt sich ihm in den Weg.

Delicia: Hallo!

Nasrallah: Ah! Du hast mich aber erschrocken! Ich schaue gerade eine Serie.

Er nimmt seine Brille ab.

Delicia: Also, das mag jetzt vielleicht ein bisschen verrückt klingen, aber wir sind aus der Vergangenheit angereist.

Nasrallah: Warum verrückt, das macht doch jeder, der es bezahlen kann.

Delicia: Was? Echt? Und warum sieht hier alles so… anders aus? Überall ist grün und es ist so sauber.

Nasrallah: Achso, ihr wisst also noch gar nichts. Also: Nach dem letzten Krieg haben alle Staaten beschlossen zusammenzuarbeiten. Alles wurde anders organisiert und anstatt einen Wettkampf gegeneinander zu führen, haben alle zusammengearbeitet. Technisch war das ja schon lange möglich, aber die Regierungen haben ihre Zeit gebraucht. Jetzt sind alle vernetzt und teilen ihre Technologien. Die Autos oben zum Beispiel kommen aus dem Iran. Dieser Park, in dem wir stehen, wurde in Schweden designt…

Lena: Okay, verrückt. (dreht sich um) Und was sind das für Demonstranten?

Nasrallah: Ach das sind diese Verrückten von der Bewegung „Die Wahrheit“. Die glauben, dass die Elite sich dank der Robotik bereichert und uns über die VR-Brillen alle kontrolliert. Es gibt immer ein paar Irrlichter (zwinkert Lena zu).

Nasrallah führt die drei Zeitreisenden bereitwillig weiter durch die Stadt, die sie kaum aus dem Staunen herauskommen lassen.


3. Akt: Im Krankenhaus

 Handelnde Personen:  

  • Jasmin – Patientin  
  • Leo – Arzt  
  • Pflegekraft  
  • Katrin – Chefärztin  

Es ist ein nervenaufreibender Tag in der Notaufnahme. Die Station ist eigentlich schon voll, als Jasmin hineinkommt und mit Herzproblemen vor Leo, dem neu angestellten Arzt, zusammenbricht.

Jasmin: Hilfe!

Leo (zur Pflegekraft): Na los, helfen Sie ihr!

Pflegekraft (räuspert sich): Ähm, ich denke, Sie sind Arzt.

Leo: Ja, aber ich – naja, bringen Sie sie in den Schockraum.

Unsicherheit lag in seiner Stimme und er war sichtlich nervös. Im Schockraum angekommen, steht Leo wie angewurzelt vorne im Raum.

Pflegekraft: Leo, Sie müssen sie behandeln, jetzt!

Leo: Natürlich, also – ähm – nehmen Sie doch erstmal Blut ab.

Pflegekraft: Was? Uns rennt die Zeit davon. Tun Sie was!

Katrin, die Chefärztin, betritt den Raum.

Katrin: Was ist hier los? Warum sind hier noch keine Elektroden an der Patientin? Leo?

Leo: Naja, also es ist so…

Katrin: Lass mich raten, Online-Studium? Immer wieder das Gleiche.

Leo: Aber es waren doch nur ein paar Vorlesungen. Eine Freundin von mir hatte einen Anwesenheits-Bot gebaut, ich hätte das Studium sonst nie geschafft. Der Druck war so unfassbar hoch, es waren auch nur ein paar Vorlesungen, niemand hat was bemerkt.

Katrin: Typisch für eure Generation. Lass mich raten, du hast nicht mal etwas von den neusten Errungenschaften in der Genom-Editierung gehört, für das unser Krankenhaus bekannt ist und gestern eine Auszeichnung bekommen hat, oder? (Leo schaut verunsichert zurück.) Das war klar. Jetzt raus hier, ich muss sie wiederbeleben!

Katrin schließt das Gerät an und die Wiederbelegungsversuche lassen am Ende Jasmins Puls wieder schlagen.

Redaktion: JL, TM